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Der Arbeitergeschichtsverein schließt das Museum der Arbeit

 

Die Geschichte der kleinen Leute, das Arbeitsleben und die Arbeiterbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts – das sind die inhaltlichen Schwerpunkte des Vereins. Seit vielen Jahren leistet er seinen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus in Hann. Münden – seit 2015 auch im Verbund mit der Stadt, dem Geschichtsverein Sydekum und dem Verein Erinnerung und Mahnung im Rahmen eines gemeinsam finanzierten Projekts. „In erster Linie müssen historische Quellen im Archiv erschlossen werden. Auf Gedenkveranstaltungen, Vorträgen und Konferenzen wurden Zwischenergebnisse präsentiert.“, schildert Stefan Schäfer, zweiter Vorsitzender des Vereins, die inhaltliche Arbeit.
Ein weiteres Standbein der Vereinsarbeit – und gleichzeitig ein wichtiges kulturelles und touristisches Angebot für die Stadt – ist der Betrieb des Museums der Arbeit im Hagelturm, einem in Europa und wohl auch weltweit einzigartigen Denkmal der Industriegeschichte. Das Museum wurde Ende 1999 von der Stadt und der Firma Haendler & Natermann mit Unterstützung des Arbeitergeschichtsvereins ausgebaut und eröffnet. 2008 hat die Stadt mit EU-Mitteln den Turm mit einer Aussichtskuppel versehen und so die Attraktivität noch gesteigert. „Der Betrieb des Museums kostet die Ehrenamtlichen eine Menge Kraft – brachte aber in den vergangenen Jahren dafür auch eine Menge Freude.“, erläutert die Vereinsvorsitzende Dr. Karin Gille-Linne, „Öffnungszeiten gewährleisten, Führungen und Museumsfeste organisieren, Öffentlichkeitsarbeit, die Räume und die 165 Treppenstufen reinigen und vieles mehr gehören dazu. Im Herbst haben wir auch einen Heiratsantrag auf dem Turm möglich gemacht. Aber insgesamt haben sich in den letzten zwei Jahren die Bedingungen so massiv verschlechtert, dass wir nun den Museumsbetrieb für 2017 einstellen werden.“
Die Arbeit des Vereins wird durch Entscheidungen der Politik und der Verwaltung erschwert. Der Verein bekommt keine finanzielle Unterstützung seitens der Stadt. Ein Zuschuss in Höhe von 720 €, der zunächst halbiert und für 2016 ganz gestrichen wurde, galt der Teildeckung der Kosten, die der Verein als Miete zur Nutzung zweier kleiner Räume im Erdgeschoss (jährlich ca. 720 €) an die Stadt zu zahlen hat. Spielräume zur Finanzierung von Ausstellungen und Veranstaltungen wurden so erheblich eingeengt. Das Nachbargebäude und der zum Turm führende Hof wurden verkauft. Die Möglichkeit zum Ausbau des Industriemuseums oder zur Bewirtschaftung der Hoffläche weitestgehend eingeschränkt.
Zentrales Problem ist die Bekämpfung der ab dem Jahre 2015 massiv auftretenden Halmfliegen. Wurden diese auf Veranlassung der Stadt im Herbst 2015 und Frühjahr 2016 bekämpft, so handelte die Stadt in der Überwinterungsperiode 2016/17 nicht. Ab August ist wieder mit einem massiven Befall zu rechnen, der ein vorzeitiges Saisonende, wie in den beiden Vorjahren auch, erwarten lässt. Nach der letzten Grundreinigung der Gießerstube im Oktober 2016 durch Vereinsmitglieder ist diese erneut von Fliegenkadavern übersäht.
Nun hat die Jahreshauptversammlung am 4. April 2017 den Vorstand beauftragt, die Vereins- und Museumsarbeit neu zu ordnen. Die Zusammenarbeit mit der Stadt soll vertraglich geregelt werden und auch Versicherungsfragen müssen geregelt, ein Betreiberkonzept erarbeitet und Fragen der baulichen Unterhaltung wie z.B. die Bekämpfung der Halmfliegen geklärt werden.
Der Beschluss ist im Wortlaut angefügt. Er ging der Stadt, dem Ratsvorsitzenden und der Geschäftsführerin des Vereins Erlebnisregion Hann. Münden am 7. April zu. Einige der Angeschriebenen bekundeten bereits ihr Interesse an einer Wiedereröffnung des Museums. Ob dies gelingt, hängt von vielen Faktoren ab. Der Arbeitergeschichtsverein ist gerne zu Gesprächen bereit.

Beschluss vom 4. April 2017
Die Jahreshauptversammlung des Vereins zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung in Hann. Münden e.V. hat beschlossen:

„Gerne möchten wir mit dem Museum der Arbeit die Industrie- und Arbeiterkultur Mündens erlebbar machen. Gerne leisten wir einen Beitrag zum kulturellen Leben und zur touristischen Infrastruktur der Stadt. Aber: Die Bedingungen für die Arbeit des Arbeitergeschichtsvereins stimmen nicht mehr!“

Der Museumsbetrieb ist Aufgabe der Stadt. Die Museumsarbeit des Vereins wurde und wird durch den Verkauf der Immobilie Radbrunnenstr. 27 durch die IVM und der Hoffläche am Natermannturm durch die Stadt stark beeinträchtigt.
Die Halmfliegenplage wird nicht in dem Maße bekämpft, wie es notwendig wäre.
Die Mietzahlung an die Stadt von 720,- € jährlich wird nicht mehr durch einen städtischen Zuschuss unterstützt und steht in keinem Verhältnis zu den Einnahmen des Vereins.
Die Vertragsgestaltung von Verein und Stadt für den Betrieb des Museums ist nicht weit genug vorangeschritten.
Das Museum bindet zu viel Zeit und Energie des Vorstands, so dass die reguläre Vereinsarbeit ins Hintertreffen geraten ist. Eine engagierte Vorstandsarbeit, Mitgliederbetreuung und Mitgliedergewinnung ist dem amtierenden Vorstand kaum noch möglich. Die Mitgliederentwicklung ist leicht rückläufig.
Ein „weiter so“ kann es unter diesen Bedingungen für den Verein nicht geben.
Die JHV beauftragt den Vorstand, in den nächsten 12 Monaten
eine Perspektive für die Weiterentwicklung des Vereins zu erarbeiten. Diese soll auch die Gestaltung der Zusammenarbeit der drei Mündener Geschichtsvereine beinhalten.
eine Perspektive für das Museum der Arbeit zu erarbeiten. Die Zusammenarbeit mit der Stadt soll vertraglich neu geregelt werden und auch Versicherungsfragen regeln, ein Betreiberkonzept beinhalten und Fragen der baulichen Unterhaltung usw. klären.
Der Mietvertrag ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen.
Das Museum bleibt in der Saison 2017 geschlossen.